Am 17. Oktober 2025 legte das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt vor. Die Richtlinie, die bis Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, zielt darauf ab, Umweltkriminalität europaweit wirksamer zu bekämpfen und die Durchsetzung des Umweltrechts zu stärken. Der Entwurf sieht tiefgreifende Änderungen im Strafgesetzbuch, im Nebenstrafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht vor – mit weitreichenden Konsequenzen für Unternehmen, Behörden und die juristische Praxis.
Neue Eignungsdelikte im Umweltstrafrecht
Bisher setzte die Strafbarkeit vieler Umweltdelikte in Deutschland den Eintritt einer konkreten Gefahr oder eines Schadens voraus. Künftig sollen bereits Handlungen bestraft werden können, die geeignet sind, erhebliche Umweltschäden herbeizuführen. Diese Umstellung von Erfolgs- zu Eignungsdelikten betrifft zentrale Tatbestände wie die Gewässer-, Boden- und Luftverunreinigung. Praktisch bedeutet das: Wer etwa Abfälle unsachgemäß lagert oder Emissionen freisetzt, muss nicht mehr abwarten, bis ein Schaden nachweisbar ist – die bloße Eignung zur Schädigung reicht aus. Diese Vorverlagerung der Strafbarkeit soll präventiv wirken, wirft aber Fragen nach der Rechtssicherheit auf, insbesondere bei der Bewertung von „Eignung“ und „Erheblichkeit“.
Erweiterte Tatbestände: Ökosysteme, Energieimmissionen und Produkthaftung
Ein zentrales Novum ist die Einführung des „Ökosystems“ als eigenständiges, geschütztes Umweltmedium. Bisher kannten die §§ 324 ff. StGB nur den Schutz von Wasser, Boden, Luft, Tieren und Pflanzen. Künftig soll auch die Schädigung komplexer ökologischer Wirkungsgefüge – etwa durch die Zerstörung von Lebensräumen oder die Beeinträchtigung von Artenpopulationen – strafbar sein. Die Definition in § 330d Abs. 1 Nr. 2 StGB-E umfasst dabei nicht nur natürliche Habitate, sondern auch funktionelle Einheiten wie Feuchtgebiete oder Waldökosysteme.
Ebenfalls neu ist die strafrechtliche Relevanz von Energieimmissionen. Bisher waren nur Lärm, Erschütterungen und Strahlung in bestimmten Kontexten – etwa beim Betrieb von Anlagen – erfasst. Nun sollen auch Lichtemissionen, thermische Energie oder elektromagnetische Felder als Tathandlungen gelten, wenn sie geeignet sind, die Umwelt oder die Gesundheit zu gefährden. Für Unternehmen, die mit Lichtverschmutzung, Wärmeabgabe oder Lärm zu tun haben, bedeutet das eine Ausweitung der Compliance-Pflichten.
Besonders brisant ist die Einführung einer „umweltbezogenen Produkthaftung“. Wer Produkte in Verkehr bringt, deren Nutzung in größerem Umfang zu erheblichen Umweltbelastungen führt – etwa durch Schadstoffemissionen –, kann sich künftig strafbar machen, selbst wenn die einzelnen Nutzer keine Straftat begehen. Diese Regelung zielt vor allem auf die Automobilindustrie und andere Branchen, deren Erzeugnisse massenhaft umweltrelevante Folgen haben. Die Grenze zwischen zulässiger Produktion und strafbarer Umweltgefährdung wird hier fließend – und damit ein zentrales Feld für rechtliche Auseinandersetzungen.
Qualifikationstatbestände: „Ökozid“ und katastrophale Umweltfolgen
Der Entwurf führt mit § 330 Abs. 2 StGB-E einen neuen Qualifikationstatbestand ein: Wer vorsätzlich „katastrophale Folgen“ für die Umwelt herbeiführt – etwa durch die Zerstörung großer Ökosysteme oder die nachhaltige Vergiftung von Gewässern –, muss mit Freiheitsstrafen von einem bis zu zehn Jahren rechnen. Damit wird der „Ökozid“, also die schwerwiegende und großflächige Schädigung natürlicher Lebensgrundlagen, erstmals als Verbrechenstatbestand verankert. Die praktische Anwendung dieser Norm wird jedoch davon abhängen, wie Gerichte „katastrophale Folgen“ konkretisieren – eine Aufgabe, die angesichts der Komplexität ökologischer Systeme herausfordernd sein dürfte.
Genehmigungen als strafrechtliches Risiko
Ein besonders heikler Punkt ist die Strafbarkeit trotz behördlicher Genehmigung. Nach der EU-Richtlinie soll eine Handlung auch dann rechtswidrig sein, wenn die zugrundeliegende Genehmigung „offensichtlich gegen materiellrechtliche Anforderungen verstößt“. Der deutsche Entwurf verzichtet zwar auf eine explizite Umsetzung, verweist aber auf § 44 VwVfG, wonach nichtige Verwaltungsakte keine Rechtfertigung bieten. Für Unternehmen bedeutet das: Selbst bei formal wirksamen Genehmigungen müssen sie prüfen, ob diese inhaltlich rechtmäßig sind – sonst drohen Strafbarkeitsrisiken für die Verantwortlichen. Diese „Nachprüfpflicht“ könnte in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, insbesondere in Genehmigungsverfahren mit komplexen Umweltauflagen.

Umweltstrafrecht im Blick
Das Umweltstrafrecht entwickelt sich leise, langsam aber stetig – und der aktuelle Referentenentwurf markiert dabei einen Paradigmenwechsel im Umweltstrafrecht: weg von der Ahndung konkreter Schäden, hin zur Prävention potenzieller Gefahren. Für Unternehmen bedeutet das eine Ausweitung der Sorgfaltspflichten, insbesondere in den Bereichen Produkthaftung, Genehmigungsmanagement und Umweltmonitoring. Juristisch wirft der Entwurf jedoch auch Fragen auf – etwa zur Bestimmtheit der neuen Tatbestände oder zur Abgrenzung zwischen legalem Wirtschaften und strafbarer Umweltgefährdung.
Die Stellungnahmefrist für Verbände und Länder läuft bis zum 14. November 2025. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Kritik an der Vorverlagerung der Strafbarkeit und den hohen Bußgeldrahmen aufgreift – oder ob die Verschärfungen weitgehend unverändert in Kraft treten. Fest steht: Jedenfalls wer in umweltsensiblen Branchen tätig ist, sollte die weiteren Entwicklungen genau verfolgen und frühzeitig prüfen, ob die eigenen Compliance-Systeme den neuen Anforderungen genügen.
Bußgelder und Unternehmensverantwortung
Die finanziellen Konsequenzen für Unternehmen werden drastisch verschärft. Bei vorsätzlichen Umweltstraftaten von Leitungspersonen steigt das Höchstmaß der Verbandsgeldbuße von bisher zehn auf künftig 40 Millionen Euro, bei Fahrlässigkeit von fünf auf 20 Millionen Euro. Diese Anhebung geht über die EU-Vorgaben hinaus und betrifft nicht nur Umweltdelikte, sondern alle vorsätzlichen Straftaten, für die ein Unternehmen haftet. Für Konzerne mit umweltrelevanten Aktivitäten – etwa in der Chemie-, Energie- oder Abfallwirtschaft – wird die Einhaltung von Compliance-Systemen damit noch dringlicher.
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